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Blog
Erstellt von Tschew am 14.01.11 um 03:21 Uhr
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Unsere Welt ist voller Gegensätze. Schon vor Millionen von Jahren wurde diese Erkenntnis in einem Gleichnis formuliert, was bestimmt jeder schon einmal gesehen hat: Yin und Yang. Dunkel und Licht - Schwarz und Weiß.
In der Chinesischen Philosophie wird mit Hilfe dieses Gegensatzes zweier Kräfte versucht, die Welt zu beschreiben. Das mag für manch einen etwas abstrakt klingen aber wenn man sich auf dieses Gedankenspiel einlässt, wird schnell klar, warum dieser Symbolik so viel Bedeutung beigemessen wird...
Licht und Dunkelheit ergänzen sich. Je dunkler es ist, desto auffälliger wird auch schon der kleinste Funken Licht. Die Gegensätze streben immer danach, sich auszugleichen. Ein einfaches und fundamentales Beispiel ist die Wärme oder auch Energie: Lege ich einen Eiswürfel in warmes Wasser, wird dieses Ungleichgewicht in kurzer Zeit behoben. Der Würfel passt sich an das Wasser und das Wasser an den Würfel an. Im Nu ist beides genauso warm oder eben kalt.
Etwas komplizierter wird es bei sozialen Phänomenen, aber auch hier kann man viele Beispiele finden, wo sich Yin und Yang einander die Hand geben.
Glück und Unglück
Was Glück bedeutet, weiß man oft erst dann, wenn man viel Pech gehabt hat oder eine Zeit lang sehr traurig, arm oder einsam gewesen ist. So steckte jeder bestimmt schon einmal in depressiven Phasen und irgendwann kann es eigentlich gar nicht mehr schlechter werden, weil alles schon total aussichtslos erscheint. Aber gerade nach so viel Dunkel, also Yin, schreit das Licht geradezu nach einem Ausgleich: Man freut sich schon über den nächsten kleinen Aufwind, auch wenn es nur eine Nachricht von einem Freund oder ein Lächeln ist.
Ein anderes Beispiel gleich hinterher. Wenn dir ständig alles zufliegt, du alles hast, ärgerst du dich schon über kleinere Banalitäten: Die Eisenbahn kommt 10 Minuten später, das Essen schmeckt nur mäßig, deine Kleidung entspricht nicht mehr dem aktuellen Modetrend. Du willst immer mehr, immer das neueste, das ausgefallenste und beste, um deine Sinne zu betören. Unter so viel Yang, also Licht, schreit die Dunkelheit jede Sekunde danach, dich wieder einzufangen: Ob es der Kratzer im neuen Auto ist, die heruntergefallene Designerbrille, der MORDS-Deal, der nicht zum Abschluss kommt oder einfach der Neid anderer Leute.
| Das Gleichgewicht des Lebens sorgt immer und überall für einen Ausgleich. |
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Glück und Erfolg sind also an unsere eigenen Erwartungshaltungen gebunden. Je weniger Glück und Erfolg du hast, umso trauriger wirst du und umso geringer werden deine Erwartungen. Dieses Abfallen der Erwartungen, bedingt durch negative Ereignisse könnte man auch Leiden nennen. Leiden bedeutet daher auch, wieder empfindlich für die einfachen Dinge zu werden, die du sonst als selbstverständlich siehst. Zum Beispiel gutes Essen, überhaupt genug Essen zu haben oder frei darüber entscheiden zu können, wo und wie du leben willst. Das sind Dinge, über die man im Alltag kaum nachdenkt. Phasen der Meditation oder des Leidens können einem das Bewusstsein für diese Dinge wecken UND - unter Umständen - wieder glücklicher zu sein.
Gut und Böse
Was gut und was böse ist liegt im Auge des Betrachters. So hat ein Linksautonomer selbstverständlich eine andere Auffassung als ein CDU-Abgeordneter im Bundestag. Was aber dennoch beide Personen tun: Sie unterscheiden beide in richtig und falsch, gut und böse. Diese Spanne braucht jeder Mensch, um sich in der Welt zu orientieren, um sich zu motivieren, für oder gegen etwas zu sein oder zu handeln. Aber genau diese Spanne ist es auf der anderen Seite, die wieder für ein Ungleichgewichte verantwortlich ist.
Alles schwingt
Unser Leben ist bestimmt von Extremen sowohl in die eine, als auch die andere Richtung. Ob es nun unser Urteil über richtig und falsch oder die Befriedigung unserer inneren Bedürfnisse ist: Yin und Yang bestimmen gewissermaßen unsere Emotionen, den Hormonhaushalt, Stress, Liebe, unsere Urteilsfähigkeit oder sogar unser Aussehen?
Stellen wir uns vor, alle Menschen hätten grüne Anoraks. Nun gäbe es aber seit heute einen blauen Anorak im Angebot. Was meint ihr, wie schnell das Gleichgewicht zwischen blauen und grünen Anoraks hergestellt wäre? Blauer Anorak wäre für eine Zeit lang sowas von IN und alle würden ihn haben wollen. So lange, bis es wieder mehr blaue als grüne gäbe und der grüne wieder IN würde. Ein ewiges hin und her. Genauso ist es - vereinfacht und überspitzt behauptet - auch mit all unseren anderen Bedürfnissen nach Individualität. Es ist ein ewiger Vergleich zwischen unterscheidbaren Dingen - Ein Vergleich von Yin und Yang? Ich denke schon.
Der Bezug macht die Musik
Warum finde ich es so interessant, mir über Yin und Yang Gedanken zu machen? Zu wissen, was uns bestimmt, bedeutet auch Kontrolle darüber zu haben, wer wir sein möchten. Möchte ich jemand sein, dem Klatsch und Tratsch, Aussehen / Mode und teure Autos wichtig sind, muss ich mich nur lange genug mit diesen Dingen beschäftigen bzw. mit anderen Menschen umgeben, deren Wertvorstellungen auch darauf beruhen und Vorbilder aus diesem Personenkreis wählen. Unser subjektives Yin und Yang wird sich dann in dieser Welt definieren. Die Gegensätze stehen also in einem Bezug zu unserer Umwelt. Dazu ein vereinfachtes Beispiel:
Die kleine Jaqueline ist traurig, weil sie zu Weihnachten statt der 4 Barbie-Puppen auf Ihrer Wunschliste dieses Jahr nur eine Puppe bekommen hat. Auf Grund ihrer Erwartungshaltung ist das für sie ein schlechtes Geschenk und die ist traurig. Der kleine Paul hat in den vergangenen Jahren gar keine Spielsachen geschenkt bekommen und erhält dieses Jahr zu seiner Verwunderung einen einfachen Bastelbausatz, worüber er sich wahnsinnig freut. Obwohl beide Geschenke objektiv gesehen gleichwertig waren, findet in der subjektiven Welt der beiden Kinder eine Einteilung in gut und schlecht statt. Yin und Yang definieren sich für die kleinen in einem ziemlich engen Rahmen.
In einem äußerst großen Rahmen gesehen könnte man - vielleicht etwas polemisch - sagen: Die industrialisierte Welt mit ihren relativ wenigen Menschen verbrät die ganze Zeit Rohstoffe, lebt in Wohlstand, Gesundheit und Verschwendung; und zwar auf Kosten der anderen Seite, nämlich der vielen Menschen weniger entwickelter Länder und Regionen. Ein Yin und Yang im sehr großen Rahmen, welches selbstverständlich auch nach Ausgleich strebt.
Fazit und Schluss
Das Schema Yin und Yang kann man auf fast alles irgendwie übertragen. Man stellt immer wieder fest, dass es Gegensätze gibt, dass es ohne diese Gegensätze langweilig wäre, ja sogar dass das eine das andere unbedingt benötigt und dass diese Gegensätze sich irgendwie ausgleichen wollen. Das passiert mal stärker und mal schwächer, je nachdem, wie extrem sie beide voneinander entfernt liegen. Diese Dynamik wird auch in der Wellenlinie in der Mitte des Kreises symbolisiert.
Yin und Yang bilden unsere wahrgenommene Welt und wir beurteilen Tag für Tag Dinge und Situationen nach Moral, Werten und Erfahrungen, die durch das gesellschaftliche und individuelle Leben geprägt sind. Dinge, die sowohl objektiv (heiß und kalt) als auch subjektiv (gut und böse) ein Gleichgewicht bilden und ständig nach Ausgleich streben.
Natürlich ist das alles nichts Neues, im Gegenteil. Es ist auch eigentlich nicht einmal ETWAS, denn es ist Philosophie und niemand kann es anfassen oder verkaufen. Vielleicht kann man es noch nicht einmal verstehen, aber ich wollte einfach mal meine Gedanken dazu aufschreiben.
Auf ein ausgeglichenes Jahr 2011
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Hullk
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#01 - Erstellt am 14.01.11 um 11:27
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3677 Beiträge
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Ein interessanter Blog, der erst mal zum Nachdenken anregt, obwohl man schon während des Lesens sehr oft mit dem Kopf nicken muss.
Auf der Suche nach weiteren Beispielen findet man schnell Kleinigkeiten, die man ergänzen kann:
Zum Beispiel ein Fußballspiel. Während eine Mannschaft gewinnen wird, wird die andere verlieren. Natürlich kann es auch ein Remis geben, was aber ebenso die Ausgeglichenheit darlegt.
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danger
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#02 - Erstellt am 15.01.11 um 11:43
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2278 Beiträge
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Ein allgegenwärtiges Beispiel ist das 3. Newtonsche Grundgesetz: actio gleich reactio. Kräfte treten immer paarweise, sprich mit ihrem entsprechenden Gegenspieler auf.
Im abgeschlossenen System heben sich diese Kräfte jedoch insgesamt wieder auf - sie streben förmlich die Ausgewogenheit an. Es ist scheinbar nur eine Frage des Bezugspunktes.
Ein sehr interessanter Beitrag, wobei man vielleicht aufpassen muss, dass man den Bogen nicht zu weit spannt. Es tut nicht immer gut alle Gegensätze direkt in "gut" und "böse" einzustufen, da die Realität häufig doch viel verworrener ist.
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Eckpert
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#03 - Erstellt am 16.01.11 um 20:32
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1170 Beiträge
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Finde das Thema auch sehr interessant weil einerseits philosophisch und andererseits ziemlich handfest. Auch die im Weltall ausgleichende Energie-Masse-Bilanz stellt zwei Hälften eines Ganzen dar; Einsteins Gleichung E=mc^2
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