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Blog
Erstellt von TomTom am 14.02.09 um 21:25 Uhr
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Ich erzähl euch jetzt ne kleine Geschichte über ein Thema, welches für unterschiedliche Meinungen und endlose Diskussionen zwischen Jule und meiner Wenigkeit führt (die Namen sind ausgedacht):
Peter und Gisela F. sind ein ganz gewöhnliches junges Pärchen Mitte der Zwanziger. Sie beschließen ihre Familienplanung in angriff zu nehmen und sollten auch nicht lange auf die freudige Mitteilung vom Arzt warten: „Herzlichen Glückwunsch! Sie sind schwanger!“
Die beiden freuten sich riesig auf ihr kleines Baby und begannen mit den Vorbereitungen für ein schönes Leben zu dritt.
Gisela muss nun Woche für Woche zur Untersuchung zum Arzt. Es könnte nicht besser laufen. Als nun auch die ersten Ultraschall aufnahmen vom Kind im Mutterleib aufgenommen wurden, schien das kleine Familienglück perfekt. Der Nachwuchs schien sich gesund und munter zu entwickeln.
Bis zu dieser einen Woche, als das Down-Syndrom-Screening auf dem Plan stand.
Die Untersuchung selber verlief ohne Komplikationen. Es wurde Blut abgenommen und eine Ultraschalluntersuchung wurde durchgeführt. aber als der Arzt dann das Ergebnis der jungen Familie mitteilt, verfallen diese in einen Schockzustand:
„Familie F.….bei Ihrem Kind wurde eine Genommutation im Chromosom 21 festgestellt. Diese Mutation kann leider nicht repariert werden. Das heißt, ihr Kind hat das Down-Syndrom.“……
…….Nachdem sich Familie F. ausreichend über diese Behinderung informiert hat und die Nachuntersuchung das selbe ernüchternde Ergebnis erbrachte, entschieden sie sich schweren Herzens für eine Abtreibung und hofften auf mehr Glück bei dem nächsten Versuch Eltern zu werden.
- Ende -
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TomTom
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#01 - Erstellt am 14.02.09 um 21:25
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530 Beiträge
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Warum habe ich mich für dieses Ende entschieden???
Ich werde durch Jule’s Ausbildung zur Ergotherapeutin oft mit der Behinderung „Morbus Langdon Down“ konfrontiert. Das ist ein Leben, welches man nicht geschenkt haben möchte. Gut, ich muss Fair sein und sagen, dass es hier natürlich auch immer zwei Seiten gibt.
Die eine Seite zeigt dir, wie Selbstständig, Selbstbewusst und voller Elan diese Menschen im Leben stehen. Dies haben sie unter anderem guter medizinischer Ver- und Nachsorgung und der liebe ihrer Familien zu verdanken.
Aber die zweite Seite zeigt dir, wie schwer das Leben für einige dieser Menschen ist. Sie sind auf ständige Hilfe angewiesen, können nicht allein auf’s Klo gehen, etc… . dann haben sie Gefühlsschwankungen, welche ihnen das selbstständige Leben verbieten. Und für die Familie ist das Leben auch nicht einfach.
Zu welchem Verhältnis stehen diese zwei Seiten??
Menschen die mit dem „Down- Syndrom“ leben sind außerdem ziemlich Liebebedürftig. Dummerweise ist diese Krankheit, nachdem sie einmal aufgetreten ist, vererbbar. Also müsste man sein Kind sterilisieren??? Was ist das für ein Leben??
Ich vertrete zur Zeit die Meinung, dass wenn man noch die Chance hat seinem Kind ein Leben mit dieser Krankheit zu ersparen, dann sollte man es abtreiben bevor das Leben beginnt.
Das Risiko ist meiner Meinung nach einfach zu hoch, dass man dem Kind und auch sich selber eine relativ glückliche Zukunft verbaut.
Warum konfrontier ich euch mit dieser Problematik???
Wir sind alle nicht vor dieser Realität geschützt. Deshalb möchte ich gerne eure ehrliche Meinung zu diesem Thema wissen. Informiert euch aber bitte ausreichend über die verschiedenen Ausprägungen dieses Kranheitsbildes, bevor ihr eure Meinung hier nieder Schreibt. Denn einem werdenden Menschen das Leben zu verbieten ist keine leichte Entscheidung!!
Also, was ist eure Meinung???
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Jule
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#02 - Erstellt am 14.02.09 um 21:40
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92 Beiträge
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So, nun äußere ich mich dazu… immerhin war das ja bis grad eben unsere Diskussion.
Also ich bin gegen eine Abtreibung! Ganz klar, weil ich täglich mit Kindern und Erwachsenen, mit dieser Diagnose, zu tun habe. Ich erlebe sie lebensfroh, offen und vor allem selbstständig.
Ich würde dem Kind, die Möglichkeit geben, zu leben. Sicher kann man während der Schwangerschaft nicht sagen, welche Auswirkungen die Diagnose auf die geistige Intelligenz haben wird. Aber ich denke, auch ein Kind mit hochgradigen, geistigen Einschränkungen, hat es verdient zu leben und mit der Liebe, Akzeptanz und Unterstützung der Familie und, nicht zu vergessen, des umsorgenden Pflegepersonals (und dazu zählen auch die Logos, Physios und Ergos) werden die großen Hindernisse zu überwindbaren kleinen Steinen.
Ich habe beide Seiten der Behinderung kennen gelernt. Sowohl die „Unauffälligen“, wenig Einschränkungen in der geistigen Intelligenz und vor allem in der eigenständigen Lebensführung, als auch die, die hochgradig pflegebedürftig sind.
Und ich muss ehrlich sagen, Lebensfreude strahlten bisher alle aus und ich musste echt überlegen, ob ich die Freude bisher auch bei anderen „normalen“ Kindern in diesem Maße wahrgenommen habe. Behinderte Kinder und Erwachsene nehmen die Welt mit anderen Augen wahr und woher will sich jemand die Macht nehmen, dieses Leben vorzeitig zu beenden, obwohl er, das Elternteil, diese Welt doch mit anderen Augen sieht...
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Tschew
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#03 - Erstellt am 14.02.09 um 21:50
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1988 Beiträge
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Sehr interessante Thematik. Ich werde mir mal Gedanken machen und etwas zu schreiben, wenn ich wieder mehr Zeit habe.
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Ernstl
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#04 - Erstellt am 14.02.09 um 21:52
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1092 Beiträge
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ich stimme ehrlich gesagt dem tomzumquadrat zu. klar, es ist ein mensch. und natürlich gibt es unterschiedliche ausprägungen dieser krankheit. nur ist das kind, der erwachsene mensch, massiv gehandycapt. und im endeffekt sind die eltern, mitunter das pflegepersonal, die leittragenden. denn die sind halt da, wenn das ein oder andere malheur passiert oder, weil irgendwas nicht passte, die halbe nacht geschrien wird. also wäre eine abtreibung auch ein gewisser selbstschutz.
zumal beim down-syndrom ja auch sehr viele nebendeffekte auftreten, am häufigsten wohl herzfehler und auch probleme mit der zunge/zungenmuskulatur, oder?
also sehr viele begleit-ops...
neben dem, halt wie tomtom anmerkte, dass sie extremst liebesbedürftig sind (selbst betreuer würden die am liebsten alle sterilisieren lassen! kenne da einige...), und die krankheit vererbbar ist... dann sind wieder viele leute eingespannt, denn nicht viele mit der trisomie können selbstständig ein kind großziehen, das ebenfalls erkrankt ist...
wie gesagt, ich stimme tomtom zu.
auch wenns hart ist, so würde ich das kind abtreiben lassen, jedenfalls von der grundhaltung her.
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Eckpert
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#05 - Erstellt am 14.02.09 um 23:01
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1170 Beiträge
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Eltern, die sich bewusst dafür entscheiden ein behindertes Kind groß zu ziehen, haben großen Respekt verdient. Je nach Schweregrad verlangt das viel Aufopferung und damit natürlich auch ein zurückstellen eigener Wünsche; des eigenen Lebens. Auch werden einige Kinder nie selbstständig sein können und sind immer von den Eltern oder später Pflegern abhängig.
Schweren Herzens, ob des Lebens welches man nimmt, würde ich auch zur Abtreibung tendieren solange man sie durchführen kann. Sollte das Kind auf die Welt kommen und sich dann Behinderungen herausstellen/einstellen, wäre ich der Letzte, der es im Stich lassen würde.
Ein wahrlich schwieriges Thema. Ich hoffe für uns alle, dass wir nicht in die Lage einer solchen Entscheidung kommen und alle gesund und glücklich bleiben - das gilt auch für den Nachwuchs!
Was man hierbei noch erwähnen sollte ist die Arbeit der Logos, Physios und Ergos, die behinderte Menschen unterstützen und ihnen ein würdevolles Leben ermöglichen. Da sind nicht einfach nur "wieder viele Leute eingespannt". Da sind Menschen, die das Leben ehren und jedem Menschen eine Chance geben sie selbst zu sein.
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Katrin
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#06 - Erstellt am 14.02.09 um 23:25
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1069 Beiträge
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ein thema was wirklich mal zum nachdenken anregt!
mich würde interessieren, wie jule generell zum thema abtreibung steht.
bist du generell dagegen?
diesen triple-test, der zeigt ob evtl. das im mutterleib befindliche kind, 3 bestimmte hormone beinhaltet (im blut), wir erst ab der 16. ssw gemacht. das heißt eine abtreibung ist nicht mehr möglich!!!
sonographien sind für die vorsorge zwar enorm wichtig, geben aber keine genauen informationen zu einer evtl. behinderung des kindes.
ich würde sehr gern nochmal jules meinung zum thema abtreibung hören!
wenn ich mich mit dem thema auseinander setze und man trisomie 21 früher feststellen könnte, würde auch ich abtreiben.
wahrscheinlich schon wegen dem respekt mein ganzes leben zu "opfern",
aber wohl ehr um dem kind kein leben voller trauer, respektlosigkeiten und dem gefühl, nicht geliebt zu werden, zu bieten.
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Anika
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#07 - Erstellt am 14.02.09 um 23:33
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487 Beiträge
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Hallo, Alex und ich hatte gerade auch einen Spziergang mit dem Hund und unterhielten uns über dieses Thema.
Ich für meinen Teil gebe Jule zu 100, wenn nicht sogar zu 1000% Recht. Meine Mutter arbeitet in einer Körperbehindertenschule. Ich selbst habe dort mein Praktikum gemacht, bei den Krankengymnasten. Mein damaliger bester Freund hatte ,als er 5 Jahre alt war, ein Bultgerinsel im Gehirn. Seit dem ist er auf der rechten Seite komplett gelähmt. Er musste alles neu lernen und wird doch nie wieder "normal" sein. Er ist seit dem auf der Schule meiner Mutter. Ich bin somit schon mein ganzes Leben mit behinderten Menschen konfrontiert worden. Wenn ich meine Mutter in der Schule besuche und die lachenden, weinenden, schreienden Kinder sehe, fühle ich mich, wie in einer "normalen" Schule. Der Unterschied ist, dass manche im Rollstuhl sitzen, manche mit Krücken oder anderen Gehilfen auf mich zukommen. Stelle ich mir nun vor all diese Eltern diser Kindern hätten sich gegen ihre tollen Kinder entschieden, bricht es mir das Herz.
Wenn ein Paar sich entscheidet ein Kind zu bekommen, entscheidet man sich doch für ein Kind egal ob schwarz, rot, gelb, schlau, dumm, hübsch oder häßlich. Man nimmt es bedingunslos in sein Herz auf. Ich will doch nicht nur ein Kind unter der Bedingung, dass es gesund ist. Vorallem entscheidet man für das Kind, dass wiederum trotzdem unendlich glücklich wäre, einfach nur leben zu dürfen.
Ich hoffe für euch natürlich, wenn ihr mal Kinder bekommt nur das beste, aber sollte es zu einem kranken Kind kommen, sollten wir immer für einander da sein. Und das ist das wichtigste denke ich, dass Freunde und Familie dann erst recht zusammenhalten.
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Hullk
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#08 - Erstellt am 15.02.09 um 01:58
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3677 Beiträge
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Die Problmatik ist eine ganz schwierige. Denn ein von Geburt an behindertes Kind wird den Aufwand, den es "verursacht" als normal sehen, wenn es das kann. Ich streite auch nicht ab, dass diese Menschen lebensfroh und lustig sind. Natürlich haben sie auf ihrer Art Spaß am Leben. Und jetzt kommen wohl einige Zeilen, die ihr bitte nicht falsch verstehen sollt, dennoch ist es meine ehrliche Meinung. Dazu hole ich mal ein bissl aus:
Der Mensch ist ein Wesen der mit der GABE und dem VERHÄNGNIS Gefühle ausgestattet ist. Diese Tatsache lässt uns sowieso nie rational nachdenken. Und genau deswegen führen wir diese Diskussion hier. Was ich damit sagen will: Im Tierreich gibt es keine behinderten Tiere. Ich meine die Wildnis, keine künstlich geschaffenen Areale.Warum gibt es in der Wildnis keine behinderten Tiere? Weil diese einfach elemniert werden und den anderen Tieren nicht zur Last fallen.
Dass wir nicht das 1:1 in unser Menschenleben übernehmen können, ist völlig klar und ist auch nicht mein Standpunkt. Dennoch bin ich der Meinung in solchen Situation einen gewissen "kühlen" Kopf zu bewahren, auch wenn das verdammt noch mal schwierig fällt.
Dank des Technikfortschritts in der Medizin sind wir also nun in der Lage rechtzeitig zu erkennen, ob ein Kind das Down Syndrom bekommen kann. Was also tun, wenn es bestätigt wird?
Ich bin dann ganz klar für eine Abtreibung. Ich finde, wenn man in der Lage ist zu verhindern, dass ein behindertes Kind (ab einen gewissen schweren Fall [nicht selbstständig, nur auf Hilfe anderer angewiesen]) auf die Welt kommt, dann sollte man diese "Chance" nutzen und wie im Blog beschrieben einen Neuversuch vagen. Ich weiß das klingt hart, aber ich finde dasäußerst "fair". Wie gesagt, das Kind wird sich keine Gedanken machen, es wird aus seiner Sicht "normal" leben, aber was da alles dahintersteckt? Manche Eltern bekommen ja auch behinderte Kinder und zerbrechen dann an der Belastung. Dies kann zum Scheitern der Beziehung führen und das Kind kommt dann eh ins Heim. Desweiteren würde ich auch Menschen die vom Down Syndrom befallen sind, die Fähigkeit der Fortpflanzung nehmen.
Dass es nun natürlich Menschen gibt, die erst im Laufe ihres Lebens behindert werden, is klar und genau für solche Menschn soll es auch die Logos, Ergos und andere Menschen geben, die sich um sie kümmern. Und diese helfenden Menschen verdienen meinen Respekt, denn ich find das eine super Sache.
Also nimmt mir meine Worte nicht übel. Ich weiß, sie klingen hart und werden bei vielen auf Unmut stoßen, doch es ist meine Meinung. Ich finde, ich bin dennoch kein Unmensch.
Anmerken möchte ich noch, dass ich damals oft, wo mein Dad Behinderte mitm Kleinbus von A nach B gefahren hat, mitgefahren bin, und ich so ein Einblick in diesen Teil des Lebens erhalten durfte.
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Mamffo
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#09 - Erstellt am 15.02.09 um 09:05
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1661 Beiträge
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Das ist echt schwierig, da man nie weiß was das Kind denkt bzw wie es sich später fühlen wird.
Ich denke aber das es nie richtig glücklich werden kann, denn es gibt immer Idioten, die es hänseln werden. Ich selbst wurde im Gynasium auch des öfteren gehänselt. Auch wenn es da auf einem geringen Ausmass und auf relativ hohen Niveau war kann ich sagen, dass das einen Menschen ziemlich belasten kann und ich halte mich noch für ziemlich willensstark.
Wie sieht es jetzt aber mit einem kleinen Jungen oder Mädchen aus was sein ganzes Leben lang gehänselt, komisch angeschaut oder sozial ausgestossen wird aus? Diese sind durch die Dauer der Peinigungen oft nicht mehr in der Lage diese zu verkraften. Vllt ist der Grad der Behinderung auch so groß, dass sie es nicht mal mitbekommen, dafür die Eltern aber um so mehr.
Desweiteren muss man auch den finanziellen Effekt sehen. Sowohl die Eltern als auch viele andere Leute werden kaum mehr Geld oder Zeit haben etwas für sich zu tun. Hier stellt sich für mich die Frage: Soll man ein Kind ein Leben lang medizinisch betreuen was Millionen kostet oder das Geld ausgeben um anderen Menschen medizinisch helfen zukönnen?
Die Eltern stehen also unter ständigem körperlicher, geistiger, finanzieller und sozialer Druck. Ich glaube das die Liebe zu einem Kind Berge versetzen kann aber will man deswegen die Liebe und die Beziehung zu seinem Partner aufgeben, denn das passiert wohl in den meisten Fällen, wenn die Familie an dem Druck zusammen bricht.
Schlussendlich würde ich mich nach Aussprache mit meiner Partnerin wohl für eine Abtreibung entscheiden und zwar in erster Linie für das wohl des Kindes. Ich hoffe ihr wisst, dass ich das nicht böse meine, denn für mich gibt es nicht größeres und schöneres mit der Partnerin ein Kind zu bekommen. Ich würde nachfolgenden Kindern auch von ihrem verstorbenen Geschwisterchen erzählen, weil ich es nicht als "da war nie was" abstempeln könnte.
Egal wie sich ein Paar von uns entscheidet, ich hoffe das sie genug Unterstützung von allen anderen bekommen!!!
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Jule
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#010 - Erstellt am 15.02.09 um 10:37
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92 Beiträge
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Erst einmal ein großes Dankeschön an alle für eure ehrliche Meinung!
Ich würde abtreiben, wenn es sich nicht verhindern ließe. Wenn mir der Arzt für mein Kind keinerlei Überlebenschancen versprechen würde. Aber so ist es in den meisten Fällen der Diagnose Morbus Down ja nicht. Im Gegenteil, die Ärzte sind da eher zurückhaltend mit ihrer Meinung, eben da es so ein breites Spektrum dieser Erkrankung gibt.
Sicher muss man so eine Entscheidung an verschiedene Dinge knüpfen...
- habe ich einen Partner, der zu mir und im Zweifel auch zu meinem behinderten Kind steht?
- habe ich genügend wertvolle Unterstützung in der Familie und im Freundeskreis? und damit meine ich nicht solche, die anfangs große Töne spucken und dann die ersten sind, die sich nicht mehr melden
- bin ich finanziell genügend abgesichert? ( auch in der hinsicht auf zusätzliche therapeutische Leistungen? denn das ist der ausschlaggebende Punkt... Ärzte verordnen nicht gerne und vorallem ausreichend Logo-, Ergo- und Physiotherapie... da sollte man sicher auch in der lage sein, zusätzliche Verordnungen zu bezahlen... und schlussendlich bin ich selber bald Ergotherapeutin und in der Lage mein Kind auf dieser sensomotorisch-perzeptiven Ebene zu schulen und es weiterzuentwickeln.
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Tschew
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#011 - Erstellt am 15.02.09 um 12:58
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1988 Beiträge
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Ich finde es erst einmal sehr interessant, dass innerhalb von nicht einmal einem halben Tag fast jeder hier eine feste Meinung zu einem Thema äußert, welches doch so sehr der Überlegung und Abwägung so verschiedener und grundsätzlicher Werte des Lebens befasst.
Ich für meinen Teil kann mir eine solche Meinung auf prinzipiell ja oder nein zur Abtreibung eines voraussichtlich behinderten Kindes nicht einfach mal so von den Fingern tippen. Dazu ist die Frage über Leben oder Tod einfach viel zu schwerwiegend.
Ergänzend zu der hier doch sehr einheitlichen Einstellung zu dem Thema, möchte ich folgende Fragestellungen aus einem anderen Winkel formulieren:
- Ist ein behindertes Kind unglücklicher oder sogar glücklicher als ein nicht behindertes Kind? Wer beurteilt "glücklich sein"? Seid ihr glücklicher als andere, denen es schlechter geht?
- Ist die Entscheidung zur Abtreibung nicht eher eine egoistische Entscheidung und denkt man nicht in erster linie an seinen eigenen Mehraufwand?
- Was wiegt mehr? Hänseleien, schiefe Blicke von intoleranten Menschen, die einen das ganze Leben begleiten oder das Gefühl, trotzdem von Familie und Freunde trotzdem als Mensch respektiert zu werden?
- Ist es dem Kind gegenüber gerecht, anzunehmen, dass ein Mensch bestimmten Vorstellungen genügen muss, um es Wert zu sein, geboren zu werden?
Natürlich ist es eine finanzielle und eine Aufwandsfrage, ob man es überhaupt leisten kann, seinem Kind eine Zukunft zu geben. Ich denke, es ist eine Frage von Mut und Charakterstärke, ob man das gleiche auch einem behinderten Kind geben würde.
Fazit: Ich kann nicht sagen, dass ich eine Abtreibung bevorzugen würde. Wenn ich mich aber voreilig entscheiden müsste, ohne genügend darüber nachgedacht zuhaben, wie zum Beispiel jetzt, wähle ich das Leben.
Zum Schluss möchte ich noch ein paar Fragen in den Raum stellen, die vielleicht etwas philosophisch sind, mir aber auch zu diesem Thema durch den Kopf gegangen sind:
- Kann man ein Leben mit einem anderen ersetzen? Nach dem Motto: "Wenn das eine krank geworden ist, erzeuge ich eben ein anderes / gesundes; das eine bekommt ja sowieso nichts davon mit."
- Worin unterscheidet sich das eine Leben vom anderen? Wenn es in unserer Macht liegt, Leben zu erzeugen, wieso dann nicht, Leben zu beenden?
- Ab wann ist Leben wirklich Leben? Beginnt das Leben des Kindes nicht schon in uns? Sind wir das Kind? Ist das Kind wir?
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danger
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#012 - Erstellt am 15.02.09 um 15:43
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2278 Beiträge
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Viele Aspekte wurden hier schon genannt und ich denke es steckt in jedem Beitrag auch eine ganze Menge Wahrheit.
Es ist meiner Meinung nach nicht pauschal zu bewerten ob die Abtreibung oder Austragung des Kindes die richtige Entscheidung ist. Jeder Mensch ist anders und es gibt nunmal auch eine ganze Reihe die nicht stark genug ist um dieser Situation gewachsen zu sein. Für diejenigen ist es auch eine ungemein schwierige Situation, weshalb man auch die Entscheidung der Abtreibung akzeptieren und respektieren sollte.
Ich für meinen Teil würde die Entscheidung vermutlich auch stark von den Begleitumständen abhängig machen. Wie lange und fest bin ich mit meiner Freundin zusammen? Hat die Beziehung Zukunft oder war es eher eine kurze Liaison? Handelt es sich um ein Wunschkind nach jahrelangen Versuchen oder entstand die Schwangerschaft eher aus einer "gewollten Unachtsamkeit" nach dem Motto, passierts passierts, wenn nicht dann nicht.
Es dürfte die Situation sicherlich stark beeinflussen ob ich, Mitte/Ende 30, nach vier vergebenen Jahren endlich erfahre, dass meine Frau schwanger geworden ist und wir dann diese Nachricht erhalten, als wenn ich in meiner jetzigen Situation davon erfuhr. Aktuell wäre ich diesen Umständen mit Sicherheit nicht gewachsen, und würde zum Wohle der Familie und des Kindes wohl doch eher zur Abtreibung tendieren...
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Katrin
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#013 - Erstellt am 15.02.09 um 19:16
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1069 Beiträge
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ich muss dazu noch sagen, dass es wahrscheinlich auch darauf ankommt, wie man generell zum thema abtreibung steht!
also wie schon häufig und in guter ausführung erwähnt, ist der hintergrund und die momentane situation immer ein wichtiger aspekt.
da ich in einer beratungsstelle tätig bin (zentrum für sexuelle gesundheit und familienplanung), die sich jeden tag mit aborten beschäftigt (§ 219 konfliktberatung), habe ich keine krassen denkweisen zur abtreibung.
wenn ich im moment schwanger sein würde, würde ich abtreiben, egal ob das kind krank oder gesund ist, weil es die situation nicht zulässt.
vielleicht sollte man also ersteinmal klären, ob abtreibungen in ordnung sind oder nicht. viele frauen sind gg abtreibungen. da ist es egal ob das kind behindert ist! was sehr viel respekt zollt!
lg
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Anika
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#014 - Erstellt am 15.02.09 um 21:18
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487 Beiträge
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Nun schreibe ich doch noch etwas. Ich finde diese vielen eigentlich eindeutigen Meinungen echt erschreckend. Ich respektiere natürlich eure Meinung aber gut finde ich sie trotzdem nicht. Ich denke, aber das es für viele von euch auch sehr schwierig ist zu beurteilen. Ich denke, dass man vorallem nicht nach 24 Stunden schon so schnell erntscheiden kann, wie man über so ein Thema denkt.
Ich muss sagen, dass ich es ziemlich traurig finde, dass Katrin schon so abgestumpft ist und es ihr anscheinend total egal ist, was diese Frauen in diesen Momenten durch machen oder sogar danach. Ich selbst habe bei meinem Praktikum selbst erlebt, wie eine Fehlgeburt noch ausgekratz werden musste. (Ich war nicht direkt dabei.)Für mich und alle Krankenschwestern oder auch Ärzte war dieser Moment etwas sehr empotinales und ich glaube, dass sich kein Arzt daran gewöhnen kann. Aber vieleicht lässt Katrin auch einfach gar keine Gefühle in den Momenten an sich ran und kann da wirklich abschalten. Ich kann es nicht.
Außerdem finde ich es immer wieder interessant, wenn ihr schreibt, dass Kind wird gehänselt oder es ist nicht glücklich. Ich intrepretiere da eher den Scham von euch selbst, dass ihr es nicht ertragen könntet, dass Leute euch mit einem behinderten Kind sehen könnten. Aber, ich kann euch eingentlich keine Vorwürfe machen. Es liegt natürlich auch daran, wie man erzogen oder aufgewachsen ist. Ich kenne diese Problematik schon mein ganzes Leben.
Mein Fazit: TomTom hat extra darauf hingewiesen, dass man sich informieren und auch wirklich drüber nachdenken soll, was man schreibt. Ich finde, dass viele dieses nicht getan haben.
@Julia: Vielleicht hast du ja mal Lust, mir beim nächsten Mal mehr über deine Arbeit mit diesen Kindern zu erzählen. Ich würde mich sehr dafür interessieren.
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Anika
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#015 - Erstellt am 15.02.09 um 21:34
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487 Beiträge
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Hier noch ein Gedicht:
Ein Geschenk des Himmels
von Edna Massimilla
(uebersetzt aus dem Englischen)
Ein Engel kam zu seinem Herrn,
Und sagte: Der Tag ist nicht mehr fern,
Da dieses Kind geboren werden soll.
Und schaute dabei sorgenvoll.
Dieses besondere Kind braucht ein besonderes Heim,
Denn es wird nie ganz so wie andere Kinder sein.
Seine Entwicklung braucht sehr viel Zeit,
Gesteckte Ziele sind ihm oft zu weit.
Er braucht jemand der ihn voll Liebe pflegt,
Bei den Menschen, wo er von morgen ab lebt.
Er wird vielleicht nie laufen, nie spielen, nie lachen.
Und vielleicht auch komische Sachen machen.
Lass uns genau pruefen, wohin wir dieses Kind geben,
Denn wir wollen fuer ihn ein glueckliches Leben.
Bitte Herr, lass uns heute nicht ruh'n,
Bis wir Eltern finden, die fuer Dich diesen Job tun.
Sie werden es nicht sofort verstehen,
Fuer welchen besonderen Dienst du sie ausersehen.
Aber mit diesem Kind, das Du ihnen gibst,
Wird ihr Glaube staerker und die Gewissheit, dass Du sie liebst.
Und bald verstehen sie, was Du ihnen geschenkt,
Wie wunderbar ihr Leben gelenkt.
Ein Geschenk des Himmels und keine Last.
Das ist es, was Du ihnen gegeben hast.
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